In diesem Jahr hatte ich das große Glück, gleich zwei Pärchen der bodenbrütenden Rohrweihe hautnah miterleben zu dürfen. Ab etwa Mai hat das Schilfgebiet, in dem sich die Bruten befinden, dann einiges zu bieten: Nestbau, Übergabe der Brautgeschenke durch das Männchen, Fütterung der Jungtiere durch die Altvögel. Die mit Abstand spannendsten Tage jedoch spielen sich für mich dann ab, wenn sich die Jungvögel zum ersten Mal in die Lüfte erheben. In dieser Zeit beziehe ich wannimmer es mir die Zeit erlaubt frühmorgens noch vor Einbruch der Dämmerung mein Tarnversteck ganz in der Nähe des Horstes. Dann heißt es: Warten. Tag für Tag, denn jeder Tag kann der entscheidende sein: Wann werden sich die jungen Rohrweihen zum ersten Mal aus ihrem vertrauten Horstversteck in die Lüfte erheben? In diesem Jahr war es am 18. Juli soweit, gegen 7.30 Uhr am Morgen.

Die ersten Flugversuche sind die spannendsten: Völlig unvermittelt erhebt sich eine junge Rohrweihe aus dem Schilf in die Lüfte, während ich eigentlich einen weiteren Anflug der Altvögel erwarte. Und dann dreht sie ihre Kreise, in wackeligem Flug. Nach eineinhalb Runden um das Horstgebiet verlassen sie allem Anschein nach die Kräfte – an eine zielsichere Landung ist jetzt nicht mehr zu denken, und so kommt es, wie es kommen muss: Die junge Rohrweihe rast einige Meter vom Nest entfernt ins mannshohe Schilf. Glücklicherweise handelt es sich dabei um einen sehr fluganfängerfreundlichen Untergrund: auch wenn der Jungvogel mit dem orangenen Kopf bei der Landung einige Halme umgeknickt hat und sich ein wenig verwirrt mit noch immer halb ausgebreiteten Schwingen umsieht – das Schilf fing die sonst vermutlich recht harte Landung weich ab.

Nur wenig später fliegt der zweite Jungvogel aus. Und dann steuert er direkt auf mich zu. Innerhalb von Bruchteilen von Sekunden wird der Jungvogel gewaltig groß im Sucher und ich habe Mühe, während des Auslösens mein Motiv weiterhin komplett im Bild zu halten. Ein atemberaubendes Gefühl – wenn es auch nur wenige Sekunden anhält, denn schließlich sind auch die Flugmuskeln des kleinen Bruders noch lange nicht voll einsatzfähig. Und auch er muss eine erste, wenig koordinierte Landung im Schilf vollführen.
Bereits nach wenigen Tagen hat sich einiges verändert und die jungen Rohrweihen fliegen nun nicht mehr nur noch wenige Sekunden ohne Unterbrechung. Jetzt können sie längere Phasen am Stück in der Luft bleiben, und das scheinen sie regelrecht zu genießen: Immer höher schrauben sie sich in die Lüfte. Und so sind sie schon heute in ihrem Flugverhalten kaum noch von dem ihrer Eltern zu unterscheiden. Animiert durch ihre Eltern fliegen sie immer höher und höher. Zum ersten Mal lassen sie den sicheren Bereich der Schilflandschaft hinter sich – oder besser unter sich – zurück und kreisen nun am morgendlichen, strahlend blauen Himmel. Was für ein Gefühl muss das wohl sein?
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